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Im Moment verweilen – über Fotografie, Entscheidungen und Achtsamkeit

21. April 2025
achtsame fotografie, leerer Filmstreifen
Foto: Sven E.Hofmann

Es gibt diese eine Szene in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty, die sich still und unscheinbar in die Herzen von Menschen legt, die mit einer Kamera die Welt betrachten. Und ich sage bewusst mit und nicht durch eine Kamera. Denn genau dies begleitet mich schon mein Fotografenleben lang.

Sean O’Connell, der geheimnisvolle Fotograf, sitzt mit Walter Mitty auf einem Bergkamm im Himalaya. Weit vor ihnen, irgendwo zwischen Fels, Licht und Schatten, erscheint der seltene Schneeleopard – jenes scheue Tier, das Sean jahrelang suchte. Und dann? Er drückt nicht auf den Auslöser.

„Manchmal mache ich kein Foto“, sagt er leise. „Wenn ich einen Moment mag, möchte ich einfach in ihm verweilen – nicht durch die Linse schauen, sondern durch mich selbst.“ (Im Original hört sich das zugegeben etwas weniger tiefgründig an – trifft es aber genau so.)

Für viele, die fotografieren, mag das fast ein Paradox sein. Denn sie suchen immer das perfekte Bild. Aber genau in diesem Moment lehrt uns der Film: Es gibt etwas, das tiefer reicht als das perfekte Bild – das reine Dasein im Jetzt.

Fotografie kann eine Flucht sein, eine Zuflucht oder eine Suche. Nach Schönheit, nach Bedeutung, nach Achtsamkeit, nach einem Stück Kontrolle in einer chaotischen Welt. Doch gerade deshalb ist sie auch ein Tanz auf dem Grat zwischen Präsenz und Distanz.

Achtsamkeit in der Fotografie heißt einerseits zu spüren, wann man loslässt. Wann man nicht auf den Auslöser drückt. Nicht, weil das Bild nicht schön wäre, sondern weil der Moment heiliger ist als jedes Pixel oder Korn. Weil er, so wie er ist, reicht. Weil er in uns eingeprägt bleibt – ohne Film, ohne Speicherkarte.

Und manchmal heißt Achtsamkeit auch, im Moment anzukommen, zu sehen, zu erfassen, Stress loszulassen – und eine bewusste Entscheidung zu treffen, was und wie ich fotografiere. Oder eben auch nicht.

Für mich ist das, was Sean O’Connell tut, keine Verweigerung der Fotografie, sondern ihre wahre und tiefe Essenz. Ein stiller Akt des Respekts gegenüber dem Leben. Eine Einladung, auch ohne Kamera sehen zu lernen – und das Gesehene als Erinnerung auf der eigenen biologischen Speicherkarte zu hinterlegen, mit all ihren wunderbaren Details, die man nur mit den eigenen Sinnen erfassen und erleben kann.

Und vielleicht ist genau das der schönste Blickwinkel: der, in dem wir selbst für einen Augenblick verschwinden, uns zurücknehmen – und einfach nur staunende Wesen sind, im Angesicht des Sichtbaren.

05.04.2025

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