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Plädoyer für die Rückkehr der Stille

12. Mai 2025
Gerechtigkeit, Lärmschutz, Innenstadt, Versagen
Grafik: Sven E. Hofmann

Sehr geehrte Damen und Herren,

stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Sonntagmorgen bei einer Tasse Kaffee. Die Sonne fällt schräg durchs Fenster, ein paar Vögel zwitschern. Und dann… brüllt ein Motor auf, als würde Mad Max die Apokalypse persönlich einleiten. Ein Auspuff knallt so laut, dass Ihre Zimmerpflanze traumatisiert die Blätter verliert. Willkommen im urbanen Dschungel unserer Städte – wo Rücksichtslosigkeit zur Melodie des Alltags geworden ist.

Ich lebe in einem sogenannten „Mischgebiet“. Das klingt charmant, nicht wahr? Ein bisschen Wohnen, ein bisschen Gewerbe, ein bisschen Leben. In Wahrheit ist es der städtebauliche Versuch, möglichst viele Interessen auf engem Raum unterzubringen – wobei man das Wohnen offenbar als das schwächste Glied betrachtet. Denn wenn es um Ruhe geht, sind wir die Verlierer. Immer. Jeden Tag. Jeden Abend. Jede Nacht. Und besonders dann, wenn eigentlich Sonn- oder Feiertagsruhe herrschen sollte.

Die Auto-Poser? Ach, diese modernen Gladiatoren im PS-Kolosseum. Sie sehen sich als Helden, ihre Fahrzeuge als Waffen, und unsere Straßen als Bühne für den ganz großen Auftritt. Ihre Auspuffe sind lauter als ihre hohlen Gedanken, und Rücksicht ist ein Wort, das vermutlich nie in ihrem Gehirn eingespeichert wurde. Ich frage: Seit wann ist die Freiheit des Einen mit dem Gehörschaden des Anderen zu bezahlen?

Dann die Gastronomie. Ja, wir alle schätzen ein gutes Café. Aber seit wann ist es notwendig, Kaffee mit dröhnender Lautsprecherbeschallung zu servieren? Und seit wann darf man Musik ausstrahlen, nur weil der Verkehr ohnehin schon laut ist? Das ist wie zu sagen: „Ihr Nachbar schreit sowieso den ganzen Tag, da darf ich auch noch trompeten.“

Meine Damen und Herren, Lärm ist kein Kollateralschaden urbaner Lebensfreude – er ist ein Angriff auf das Nervensystem. Ein unterschätzter Terror der Moderne. Und das Schlimmste: Die Behörden schauen zu. Oder besser gesagt – sie hören weg.

Wann endlich werden die Ordnungshüter und Behörden aktiv, statt tatenlos zuzuhören? Warum wird das Bedürfnis nach Ruhe weniger geschützt als der Drang, sich mit röhrendem Auspuff selbst zu inszenieren? Wann genau wurde das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch das Grundbedürfnis ersetzt, sich akustisch aufzudrängen?

Ich sage: Schluss damit. Stille ist kein Luxus. Sie ist kein museales Relikt für Eremit:innen. Sie ist – Achtung, Zitatfähig – ein Menschenrecht. Wenn unsere Städte Orte sein sollen, an denen man nicht nur arbeitet und konsumiert, sondern auch lebt, dann brauchen wir einen neuen urbanen Gesellschaftsvertrag. Einen, der Rücksicht zur Pflicht macht. Der Schutz vor Dauerlärm zur Aufgabe von Politik und Verwaltung erhebt. Und der sagt: Wer in einer Stadt lebt, darf mehr erwarten als Dauerdröhnen und Gleichgültigkeit.

Ich plädiere – im Namen aller, die seit Jahren zwischen Motorengeheul, Bassgewittern und Ignoranz ihr Leben fristen – für die Rückkehr der Stille. Nicht als Utopie, sondern als Bürgerrecht.

Mit lauten Grüßen – aus Überdruss geboren, in Hoffnung formuliert.

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