In der Schulzeit wahrscheinlich von vielen verhasst, heute nicht länger ausschließlich gelb und von mir wiederentdeckt und lieb gewonnen – die Reclam-Heftchen! Mir gefällt das Format, sie passen in jede Tasche und liegen beim Lesen leicht in der Hand (auch bei schwerer Lektüre). I love it! Leider weiß ich nicht mehr, wann ich es gekauft habe, aber das Exemplar stammt noch aus meiner Schulzeit.
„Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ ist ein Essay von Immanuel Kant aus dem Jahr 1784, in dem er auf die zuvor von Johann Friedrich Zöllner in der Berlinischen Monatsschrift gestellte Frage „Was ist Aufklärung?“ eingeht. Kant schrieb mit diesem Essay die bis heute gültige Definition der Aufklärung.
Kant beschreibt Faktoren, die Menschen unmündig machen und von denen es sich zu befreien gilt, um ein selbst denkender und somit aufgeklärter Mensch zu werden. Diese Faktoren gibt es nach wie vor, auch in der heutigen Zeit und Gesellschaft, zur Genüge.
Durch die Ereignisse im Rahmen der COVID-Krise und meine Erlebnisse in den letzten Tagen und Wochen habe ich mich häufiger gefragt, wer überhaupt noch seinen Verstand einschaltet und fähig ist, über sein Handeln nachzudenken. (Eigentlich habe ich mich das vorher schon oft gefragt.)
Gestern habe ich mich an dieses essentielle Werk erinnert und es herausgekramt. Die #wirbleibenzuhause-Zeit hat auch ihr Gutes. Ich zitiere aus dem Essay sowieso immer mal wieder gerne: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Hamsterkäufe, fehlendes Gespür für einen angemessenen körperlichen Abstand zu anderen Menschen (wie ich finde, völlig unpassend mit „social distancing“, anstatt z. B. mit „corporal distancing“ postuliert), #staythefuckhome, #wirbleibenzuhause usw.
Ist dies Ausdruck fehlenden (Allgemein-)Verstandes und der Unfähigkeit oder dem Unwillen, diesen zu benutzen? Wie ich finde, ja. Gleichzeitig könnten dies aber auch Beispiele für zunehmenden Egoismus, hedonistisches, asoziales Verhalten sowie mangelnde Solidarität sein.
Mir hat eine politisch aktive Dame vor ein paar Jahren gesagt: „Ein dummes Volk regiert sich leichter!“ Wie dumm ist das Volk aber? In der heutigen Zeit, mit all ihren Möglichkeiten der persönlichen Weiterbildung – werden wir dumm gemacht oder gehalten? Wodurch? Oder sind wir doch nicht dumm?
Die größte Bedrohung unserer Freiheit zu denken liegt in unserer Bequemlichkeit und der Weitergabe oder Überlassung des Denkens an andere.
Social Media, vermeintliche Fachleute, selbsternannte Coaches und Konzerne liefern Informationen, auf die mitunter uneingeschränkt und ohne diese zu validieren vertraut wird. Es sind riesige Monopole entstanden, die nicht nur kommerzielle Ziele verfolgen, sondern auch in ihrem eigenen Interesse politischen Einfluss ausüben. Die freien und verlässlichen Informationsquellen werden ausgetrocknet, indem die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Die Verfolgung, Inhaftierung, gar Ermordung von Systemkritikern und Whistleblowern bedroht unsere Freiheit.
Aber es gibt zum Glück genügend selbst denkende Menschen. Dennoch wundere ich mich, fühle mich manchmal verärgert, reagiere kopfschüttelnd und mit Gefühlen der Ohnmacht. Dies hat nur ein klein wenig mit meinen eigenen Ängsten zu tun, sehr viel aber damit, dass ich mir eine aufgeklärte, intelligente, von Mitgefühl, Solidarität und Werten geprägte Gesellschaft wünsche.
Was hat das mit dem Essay von Kant zu tun? Nun, ich leite daraus den Gedanken des gegenseitigen Austauschs ab, den Ansporn zu lernen, mir selbst eine Meinung und ein Urteil zu bilden, Dinge zu hinterfragen, anstatt stumpf Inhalte aus fragwürdigen Quellen zu konsumieren oder vorgefertigte Meinungen nachzuplappern.
Das Wichtigste, was man aus dem Essay Kants lernen kann, ist, dass freies Denken immer bedroht ist. Heute vielleicht in erster Linie durch die eigene Bequemlichkeit, gefolgt von Social Media-Kanälen, Streamingplattformen, Staaten, Religionsgemeinschaften, Konzernen und Systemen jeder Art.
Das WorldWideWeb mit seinen vielen Möglichkeiten und (Informations-)Angeboten ist nicht per se schlecht. Das WWW ist nach wie vor ein hervorragendes Instrument des gegenseitigen Informationsaustauschs – wenn man den kommerziellen und manipulierenden Teil ausblendet.
Kant hat ja die Frage, ob wir in einem aufgeklärten Zeitalter leben, verneint und gesagt, wir leben in einem Zeitalter der Aufklärung und dass die Aufklärung voranschreite. Meine Frage ist: Wo stehen wir heute, über 200 Jahre später?
Heute darfst du mir vertrauen, wenn ich sage: Lese dieses Essay wenigstens einmal durch und habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Was ist Aufklärung? (Antiquariat)
Verlag: Reclam
ISBN-13: 9783150097144
ISBN-10: 3150097142
Was ist Aufklärung? (Neuausgabe)
Verlag: Reclam, Ditzingen
Seitenzahl: 144
Abmessung: 147 mm x 95 mm x 15 mm
Gewicht: 80 g
ISBN-13: 9783150188248
ISBN-10: 3150188245
Artikelnr.: 32640413
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Angaben Stand 11.2024
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Immanuel Kant
Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
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