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This is the end

Wenn Diskutanten in sozialen Medien nicht enden und loslassen wollen.
4. Oktober 2024
the end schreibmaschine artikel soziale medien

In den Flachwassern der sozialen Medien scheint es eine unausgesprochene Regel zu geben: Sobald die Argumente versiegen, werden Persönlichkeit und Würde des Gegenübers attackiert. Was oft als Austausch über gesellschaftliche, lokale oder (Gott bewahre) politische Themen beginnt, endet nicht selten in Kommentaren über die vermeintliche Intelligenz oder im Bashen des Profilbilds des Gegenübers. Ein faszinierendes und zugleich abstoßendes Verhalten!

Anstatt sachlich zu bleiben, verlagern manche die Diskussion schnell auf eine persönliche Ebene – als wäre der Drang, in dieser Welt aus Nullen und Einsen als Sieger hervorzugehen, so überwältigend, dass alles andere nebensächlich wird.

Dabei denke ich an Kant, der in seiner Abhandlung über den „Ewigen Frieden“ noch nicht bedenken konnte, dass auch der digitale Raum einmal zum Kriegsschauplatz werden wird. Zwar wird hier kein Schwert geschwungen, doch das Ego wird geschärft, um den vernichtenden verbalen Hieb auszuführen: „Ach, wenn ich dein Profil so anschaue, erklärt das ja deine Meinung!“

Und da stehen und warten sie nun auf ihr Futter, wie die Kühe in ihrem Stall – Die Kommentar-Wiederkäuer. Wie Kühe das Futter, kauen und würgen Sie dieselben Fragen und Inhalte immer und immer wieder durch: „Was meinst du mit…?“, „Das lese ich aber nicht in deinem Beitrag…“, „Aber noch mal zurück zu…“. Sie verlieren sich in nicht vorhandenen Details und Endlosschleifen und scheinen vergessen zu haben, dass es eine schöne Welt außerhalb dieses Threads gibt. Sie diskutieren längst nicht mehr, sondern zerkauen den Thread bis zum intellektuellen Stillstand, einzig mit dem Ziel, ihr Gegenüber zu zermürben, zu erschöpfen und die ohnehin stagnierende Diskussion endlos fortzuführen.

Warum nur? Man könnte meinen, sie suchen in der endlosen Debatte etwas, das ihrem Leben Bedeutung verleiht. Vielleicht findet man hier eine Spur von Camus‘ Absurdität – der ewige Diskutant, gefangen im Kreislauf sinnloser digitaler Sisyphusarbeit – this is the end my friend.

Dann kommt der Augenblick, in dem jemand höflich (oder erschöpft) verkündet, dass er die Diskussion an dieser Stelle beendet. Man könnte denken, dies sei ein Akt großer Vernunft. Doch auf dem Schlachtfeld der sozialen Medien wird dieser Satz verstanden, als habe man mit diesem freundlichen „Adieu“ eine neue Kriegserklärung abgegeben.

Die friedensstiftende Erklärung des Schlusswortes, wird nicht anerkannt. Die weiße Fahne, das symbolische Taschentuch des Abschieds, wird einem virtuell aus der Hand gerissen und in den Schmutz geworfen, denn diese unermüdlichen Kommentatoren sehen dies als feige Flucht vor einer finalen Niederlage ihrer selbst. Dass es so etwas wie gesunden Menschenverstand, ein akzeptieren anderer Meinungen oder ein Bedürfnis nach Ruhe geben könnte, scheint nicht in ihr Weltbild zu passen.

Warum können Menschen Meinungen nicht einfach mal unkommentiert stehen lassen? Suchen sie im digitalen Raum vielleicht nach einer Art von Anerkennung, die durch bloße Akzeptanz der Ansichten anderer unerreichbar scheint? Man will sich beweisen, sich behaupten, das eigene Ego bauchpinseln und das oft auf Kosten eines gesunden wertschätzenden Gesprächsklimas. Dabei wird nicht selten die Würde des Gegenübers mit Füßen getreten.

Es wäre fast schon erfrischend, wenn hin und wieder jemand schlicht sagen würde: „Das ist eine interessante Sichtweise“, Punkt! Doch stattdessen verstricken wir uns in endlosen Kommentar-Schleifen, in denen es nicht um Erkenntnis, sondern darum geht, das letzte Wort zu haben. Der Klügere gibt schließlich nach und zieht sich – mit gesenktem Kopf – zurück.

Ist es der Drang, immer recht zu behalten, oder bloße Langeweile, die uns in diese endlosen Zyklen hineinzieht? Soziale Medien schaffen ein toxisches Gefüge, in dem Anerkennung und Selbstbestätigung im Mittelpunkt stehen. Menschen streben dort nach Validierung, oft auf Kosten anderer. Das letzte Wort wird dabei zum symbolischen, kapitalistischen Gewinn, der den eigenen Status behaupten soll.

Ach, wäre es nicht eine schöne Utopie, wenn wir es im WorldWideWeb nicht nur gelegentlich schaffen könnten, Diskussionen in Würde zu beenden und auf die Netiquette zu achten. Die Welt ist doch ein so schöner Ort.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
– Sokrates –

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