Schon als Knirps hatte ich immer mal wieder den Fotoapparat meines Vaters in der Hand. Eine Kodak-Sucherkamera – in Leder gehüllt, silbern, mit einer gewissen Haptik, das sich irgendwie ernst anfühlte. Die Kamera gibt es noch, aber wie bei vielen alten Modellen ist die Selenzelle des Belichtungsmessers gestorben. Fotografieren kann man mit ihr nicht mehr. Trotzdem liegt sie noch im Schrank wie ein kleines Denkmal – als Erinnerung an den Anfang und meinen Vater.

Damals faszinierte mich vor allem der Blick durch den Sucher. Diese kleine leicht matte Glaswelt, die einen Ausschnitt dessen sichtbar machte was vor mir lag – eingerahmt, ruhig, konzentriert. Kein Display, keine Vorschau, keine blinkenden Anzeigen, kein Autofokus. Nur ich und das, was ich gerade wirklich sah und in den Leuchtrahmen des Suchers nahm. Am unteren Rand des Suchers gab es die sich bewegende Nadel des Belichtungsmessers – sonst nichts. Klick.
Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, als ich meine erste eigene Kamera bekam. Leider war es keine dieser coolen AGFA Optima „Ritsch-Ratsch“-Kameras mit Metalgehäuse und Kettchen, wie sie mein „Onkel“ hatte (Spoiler: er war eigentlich gar nicht mein Onkel – so lief das halt früher). Seine Kamera hatte ihren eigenen Charakter. Sie fühlte sich an wie ein Werkzeug. Ich durfte manchmal damit ein Foto machen und war immer hin und weg. Ritsch. Ratsch. Klick. Magisch.
Meine erste eigene Kamera war dagegen eher nüchtern – ein einfacher Kodak-Pocket-Apparat. Danach folgte eine Revue mit eingebautem Blitz. Beide hatten statt der Ritsch-Ratsch-Mechanik einen Spannschieber unten am Gehäuse. Funktional, aber ohne Seele. Trotzdem klickte ich mich damit durch Kindheit und Jugend – immerhin.
Ein Bild – oder besser gesagt die Szene – aus dieser Zeit hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt: Ein Fischerboot, einsam auf einem bayerischen oder österreichischen See, Sonnenuntergang, goldene Spiegelungen auf dem Wasser. Ich weiß noch wie vom Rücksitz aus meinen Vater bat anzuhalten. Das Foto gibt es noch aber es hat leider über die Jahre sehr gelitten. Auch hat es keinen guten Aufbau – Ich war noch ein Kind. Aber die Szenerie, der Moment, die Faszination und das Gefühl, das es auslöste, ist geblieben. Und genau dieses Gefühl hat mich nie ganz losgelassen.

Geht es euch genauso? Ich kann mich an fast alle Fotos die ich gemacht habe irgendwie erinnern. Die Tage brauchte ich ein Foto für einen Artikel. Ich wusste sofort, dass ich ein passendes im Fundus habe und exakt wie es aussah, wo und wann ich es fotografiert habe – Gebt mir gerne ein Feedback, ob das bei euch auch so ist.
Als Teenager bekam ich dann vor einer Klassenfahrt eine Canon AF35 – wow – das war ein echter Sprung. Autofokus, solides Gehäuse, besseres Glas, zuverlässig. Mit der AF35 habe ich halb Florenz und Pisa leer fotografiert (ja, ich war der mit der Kamera, der wirklich jedes Detail festhalten musste). Doch je mehr ich fotografierte, desto größer wurde der Wunsch nach Kontrolle – Blende, Belichtungszeit, Fokus und vor allem Tiefen(un)schärfe. Ich wollte nicht einfach nur „Fotos machen“. Ich wollte gestalten.

Also habe ich mein Taschengeld gespart. Meine Oma und meine Eltern legten was drauf. Und dann hielt ich sie in den Händen: meine Canon F-1 New. Schwarz, schwer, präzise, professionell. Diese Kamera hat bis heute einen festen Platz in meiner Fototasche – sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern Teil meiner fotografischen Identität.
Irgendwann, lange nach dem digitalen Umstieg kamen weitere analoge Schätzchen dazu. Jedes Modell mit seinem eigenen Charakter, seiner eigenen Geschichte, seinen Eigenheiten. Ich begann neben dem digitalen, mich wieder mehr mit der analogen Technik und Fotografie auseinanderzusetzen und merkte, wie viel sie mir früher gegeben hat und heute wieder gibt – im Gegensatz zur digitalen Fotografie. Im Vordergrund steht – damals wie heute- Achtsamkeit.

Warum ich heute noch analog fotografiere
Digitale Fotografie ist schnell, praktisch, bequem. Sie hat ihren festen Platz, auch bei mir. Aber analoges Fotografieren ist anders. Langsamer. Bewusster. Reduzierter. Und gerade deshalb so unglaublich wertvoll.
Ich liebe es, einen Film einzulegen und zu wissen: Ich habe 36 Bilder. Nicht 3600. Jedes einzelne Bild zählt. Jede Entscheidung hat Gewicht. Es geht nicht darum, möglichst viel festzuhalten – sondern das Richtige. Das Wesentliche. Den Moment.
Und wie damals als Kind – der Augenblick, das Wahrnehmen, das Sehen des Bildes vor dem inneren Auge, das Erleben und das Erinnern, sind wichtiger als das entstehende Foto. Durch die Kamera und selbst nur durch die Möglichkeit ein Foto machen zu können entsteht dabei ein Ankerplatz in der Zeit und Erinnerung – Egal ob man das Foto geschossen hat oder nicht.
Walter Mitty:
„When are you going to take it?“Sean O’Connell:
„Sometimes I don’t. If I like a moment, for me, personally, I don’t like to have the distraction of the camera. I just want to stay in it.“(Zitat aus The Secret Life of Walter Mitty, 2013 – Einen ergänzenden Text hierzu findest Du hier?)
Ich liebe das Warten. Den Moment, wenn der entwickelte Film aus dem Tank kommt oder man die vom Labor entwickelten Streifen aus der Tüte nimmt. Wenn ich die Negative gegen das Licht halte und die ersten Umrisse sehe. Kein Sofort-Feedback, kein Durchscrollen auf dem Display. Stattdessen echte Spannung. Und echte Freude oder Enttäuschung.
Ich liebe dabei auch das Unperfekte. Körnung, leichte Unschärfe, manchmal auch Farbverschiebungen – Dinge, die in der digitalen Welt häufig als Fehler gelten, sind in der analogen Welt Teil der Ästhetik und vor allem Teil der Entstehungs-Geschichte eines Bildes.
Und ich liebe die Technik und die Haptik alter Kameras. Die Geräusche -das Klicken des Verschlusses, das Einrasten des Blendenrings, das Schleifen des Filmes beim Filmtransport. Es ist, als würde man Musik auf Vinyl hören statt auf Spotify. Nicht immer besser – aber ehrlicher, greifbarer.
Aus gutem Grund und glücklicherweise wurde die analoge Fotografie als immaterielles UNESCO-Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Die Deutsche UNESCO-Kommission würdigt damit Techniken, bei denen Fotografen mit lichtempfindlichen Materialien wie Film oder Fotopapier arbeiten.
Warum du das auch probieren solltest
Wenn du das Gefühl hast, in der digitalen Bilderflut unterzugehen … wenn du (wieder) mehr sehen willst, statt nur zu knipsen … wenn du Lust hast, Fotografie neu zu entdecken ,,, wenn Du achtsamer im Moment verweilen möchtest … Du eine gute Strategie suchst um Stress abzubauen – dann probier es einfach aus.
Du brauchst keine teure Ausrüstung. Du brauchst keine Vorkenntnisse. Du brauchst nur Neugier und ein wenig Geduld.
Auf meinem Blog teile ich regelmäßig analoge Projekte, Tipps für Einsteiger:innen, Gedanken zur Bildgestaltung – und bald auch wieder Workshops und Fotowalks. Wenn du also tiefer einsteigen willst, folge mir gern. Und wenn du irgendwann Bock hast auf einen gemeinsamen Streifzug mit Kamera, Film und einem guten Kaffee: Ich freu mich auf dich.
Analog lebt. Nicht, weil es besser ist. Sondern weil es echter ist.
05.04.2025